Worte zur Demo 2014

Mal ein paar allgemeine Worte

Die Wuppertaler Vorabend-Nachttanzdemo geht in ihre vierte Runde. Und sie hat auch 2014 ein spezielles politisches Anliegen. In diesem Jahr wollen wir uns zunächst einmal um die Zurichtung unseres Lebens zu marktkompatiblen Existenzen kümmern und um den Gehirnfraß, den die neoliberalen Spinner in den letzten Jahrzehnten in unseren Köpfen ausgelöst haben. In den Vorjahren ging es hinter dem Musikkampfwagen u.a. gegen das Wuppertaler Kürzungsdings auf die Straße, gegen die fiesen Nazis und gegen die Privatisierung der Stadt und den Verlust von Freiräumen.

Und doch werden wir immer wieder gefragt, was an einer Tanzdemo eigentlich «politisch» sein soll.

In unserem Verständnis ist eine Nachttanzdemo wie die Wuppertaler Vorabenddemo per se ein politisches Ding. Obwohl es auch bei der Vorabenddemo zwischen den Redebeiträgen und Parolen vor allem um den Sound vom Musikkampfwagen und um die gemeinsame Party auf der Straße geht, hat sie mit kommerzieller Bespaßungsscheiße nichts zu tun. Sie ist keine «Loveparade für Arme» und auch keine «Parade der guten Laune». Sie ist – im Gegenteil – ein entschlossener und manchmal zorniger Anspruch, die Städte für alle Menschen zu reklamieren und die Nutzung der Straßen, Plätze, Flächen und Räume weder dem KFZ-Verkehr noch dem Konsumzwang oder gar dem KOD zu überlassen. Mit der Demo wollen wir uns am Abend vor dem autonomen 1.Mai die Straßen und Plätze Wuppertals zurückholen, die uns im Alltag nicht mehr gehören sollen.

Deshalb war die Abschlusskundgebung 2013 auf dem Platz am Kolk, wo der weltweit agierende Konzern ECE eine Erweiterung seiner beknackten City-Arkaden plant. Das ist eine private, überdachte und öde kleine Innenstadt, in der weder demonstriert noch herumgelungert werden darf, weil es die Hausordnung so vorschreibt. (Das jetztige ECE-Center steht schändlicherweise übrigens genau dort, wo es vor dreissig Jahren noch großes Gemenge «am Brunnen» wegen der damals eingeführte Straßenordnung gab. So ändern sich die Zeiten.) In diesem Jahr wird die Abschlusskundgebung der Nachttanzdemo aus genauso guten Gründen wieder am Schauspielhaus an der Kluse stattfinden. Nachdem das allen WuppertalerInnen gehörende Haus, in dem in den letzten Jahren öfter mal auch krassere Veranstaltungen abseits des Theaterbetriebs stattfinden konnten, inzwischen endgültig abgeschlossen wurde, gammelt es nun seinem Verfall entgegen.

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Politische Forderungen und kollektives, kostenloses und unzensiertes Feiern miteinander zu verbinden hat eine große Tradition. Sie stammt aus Zeiten, in denen Soundsystems, Clubs, Labels und Stores nicht zwingend Teil der großen Profitmaschine waren, und in der Tanzen zur eigenen, lauten Musik auch ein Selbstbehauptungsakt war. Das Verlagern dieser Selbstbehauptung in die Öffentlichkeit, früh schon mit mobilen Soundsystems in Jamaika praktiziert – später über die USA und mit karibischen MigrantInnen über London nach Europa exportiert – wurde auch vom Staat und seiner Polizei als politische Herausforderung gesehen. Bei Parties oder Festivals, für die es manchmal reichte, Straßenlaternen anzuzapfen und die eigene Anlage auf die Kreuzung vor dem Haus zu stellen, kam es auch schonmal zu Riots, die sich zu tagelangen Aufständen auswachsen konnten.

Als kleine Hommage an den Widerstand massiver Bässe und Grooves auf der Straße gibt’s auf unserer Seite bis zur diesjährigen Demo immer mal wieder n paar, meist beim Nottinghill Carnival in London entstandene Bilder fetter und anrührender Soundsystems.

In früheren Tagen wurden bei Events wie dem Nottinghill Carnival auch antirassistische und soziale Kämpfe ausgetragen. Bis heute kann ein Rest dieser politischen Kultur entdeckt werden, wenn sich widerspenstige Soundsystems dem „Shut-Down“ widersetzen und in London auch schonmal Hubschrauber über ihnen kreisen, um zu sehen ob auch alle nach Hause gehen. Was die meisten heute schön brav auch tun. Kommerzialisierte Straßen- und Nachbarschaftsfeste oder Paraden haben die kämpferische Geschichte öffentlichen Zelebrierens eigener Kultur aus dem Bewusstsein verdrängt. Von Fitnessunternehmen und Parteien gesponsorte Warehouse- und Blockparties sind eben keine polizeilichen «Gefahrengebiete».

Politische Tanzdemos erfüllen stattdessen demostrategische Ziele als Teil großer Demonstrationen, wie bei Gipfeldemos oder im Wendland, oder sie versuchen Selbstbehauptungswillen zu beweisen. Das war schon bei den ersten Tanzdemos in Deutschland der Fall, die – wenn wir uns irren, korrigiert uns – vor knapp 20 Jahren in Frankfurt/Main abgingen, als sich die dortige Clubszene mit dem Anliegen solidarisierte, öffentliche Plätze für alle zugänglich zu halten*. Die Wuppertaler Vorabend-Nachttanzdemo möchte in dieser Tradition stehen.

* Vielen Dank auch an den Club «Klub» auf der Gathe, der die Tradition einer solidarischen Clubszene in die diesjährige Nachttanzdemo hineinträgt, indem er sich beteiligt. Nach der Demo gibt es dort noch eine «After-Demo»-Party auf einem der beiden Floors.

Unangenehmer, aber leider notwendiger Nachtrag:
Schon komisch, dass wir es für nötig halten. Aber um sicher zu gehen:

Bei der Vorabend-Nachttanzdemo Wuppertal gelten ein paar Regeln. Wir möchten keine völlig zugedröhnten oder besoffenen Demo-TeilnehmerInnen. Wie gesagt – es handelt sich um eine Demo. Flaschen dürfen (Auflage) eigentlich nie mitgeführt werden. Wir bemühen uns normalerweise darum, genügend Einwegbecher auf dem Musikkampfwagen zu haben, damit Getränke umgefüllt werden können. Holt euch einen. Und dann gibt es da noch die absoluten Selbstverständlichkeiten: Rassisten, Sexisten, Nazis, Querfront- und Chemtrail-Idioten werden bei der Demo natürlich nicht geduldet.